Was bedeutet es, ein Transmann zu sein? Ein persönlicher Einblick

Einleitung
Ich möchte euch mitnehmen auf eine Reise, die für viele Menschen ein großes Mysterium darstellt: das Leben als Transmann. Dabei möchte ich nicht nur Fakten teilen, sondern auch meine persönlichen Erfahrungen und Gedanken einfließen lassen. Denn oft hilft es, eine Geschichte direkt von jemandem zu hören, der sie erlebt hat, um ein tieferes Verständnis zu entwickeln.
Meine Identität finden: Der Beginn einer langen Reise
Von klein auf habe ich mich irgendwie anders gefühlt. Während andere Mädchen um mich herum Freude an Puppen und Kleidern fanden, fühlte ich mich in diesen Rollen unwohl. Man hat es trotzdem halt mitgemacht, das macht man halt so als Mädchen, oder? Lange konnte ich nicht verstehen, warum das so war. Erst als ich älter wurde, begann ich, die Begriffe und Konzepte zu lernen, die mir halfen, meine Gefühle zu verstehen. Der Begriff "Transmann" war für mich ein Augenöffner. Endlich wusste ich, warum ich mich nicht in meinem zugewiesenen Geschlecht wohlfühlte.
Das Coming-out: Ein großer Schritt in die Freiheit
Mein Coming-out war eine der schwierigsten, aber auch befreiendsten Phasen meines Lebens. Es bedeutete, dass ich mich endlich meinen Freunden und meiner Familie öffnen musste. Die Reaktionen waren gemischt. Einige verstanden sofort und unterstützten mich, während andere Schwierigkeiten hatten, es nachzuvollziehen. Doch mit der Zeit und vielen Gesprächen fanden die meisten einen Weg, mich zu akzeptieren.
Soziale Transition: Die äußere Anpassung an meine Identität
Der nächste Schritt war die soziale Transition. Ich begann, männliche Kleidung zu tragen und bat meine Mitmenschen, mich mit meinem neuen Namen und männlichen Pronomen anzusprechen. Das war nicht immer einfach. Viele Menschen, die mich schon lange kannten, mussten sich umgewöhnen, und es kam oft zu Missverständnissen. Doch jedes Mal, wenn jemand meinen Namen richtig benutzte, fühlte ich mich ein Stück mehr als ich selbst.
Es gab auch menschen, von denen ich mich leider distanzieren musste, da sie mich aufgrund meiner Transidentität runter machen wollten. Das fing an von sehr seltsamen Fragen, über schmerz hafte Kommentare bis hin zur absichtlichen Verwendung meines Deathnamens (Frauenname), in dem Ansinnen, mir weh zu tun.
Woher ich das weiss? man spürt an der Betonung, wie eine Aussage oder ähnliches gemeint ist. Wenn man dann noch den Hintergrund der Person kennt und weiss, dass sie Klatsch und Tratsch nicht abgeneigt und kathegorisch ehr hinterlistig ist, hat man den Rest.
Medizinische Transition: Ein zukünftiger Schritt
Momentan habe ich noch keine Operationen hinter mir, aber der Gedanke daran gibt mir Hoffnung und Freude. Ich weiß, dass dieser Teil meiner Reise noch bevorsteht, und ich bin gespannt auf die Veränderungen, die er mit sich bringen wird. Die Vorstellung, eines Tages einen Körper zu haben, der besser zu meiner Identität passt, ist für mich eine Quelle der Zuversicht.
Rechtliche Schritte: Ein wichtiger Meilenstein
Ein weiterer wichtiger Teil meiner Reise ist die bevorstehende Änderung meines Namens und Geschlechtseintrags in offiziellen Dokumenten. Im November werde ich diesen bedeutenden Schritt beim Standesamt unter dem neuen Selbstbestimmungsgesetz (SBG) vollziehen. Die Vorfreude darauf ist groß, denn es bedeutet, dass meine Identität endlich auch rechtlich anerkannt wird. Ich kann es kaum erwarten, meinen neuen Ausweis in den Händen zu halten und zu wissen, dass dieser Schritt mich ein großes Stück näher zu meinem wahren Selbst bringt.
Christliche Vorurteile: Eine Herausforderung für den Dialog
Ich bin 2021 zum serbisch-orthodoxen Glauben konvertiert, obwohl meine Familie atheistisch ist. Mein Pfarrer, Wladimir in Bradic, Serbien, der mich auch getauft hat, sagte mir etwas, das mir sehr geholfen hat: „Es würde keine Schwulen, Transmenschen usw. geben, wenn Gott das nicht wollen würde.“ Diese Worte gaben mir viel Kraft und Bestätigung.
Dennoch musste ich mich mit extremen christlichen Strömungen und deren Vorurteilen auseinandersetzen. In vielen Foren und Diskussionsgruppen wurde ich mit Aussagen konfrontiert wie „Es gibt nur zwei Geschlechter“, „Du würdest dich verstümmeln“ und „Du lästerst damit Gott“. Diese Vorurteile basieren auf einer rigiden und oft engstirnigen Auslegung religiöser Schriften.
Der Umgang mit Vorurteilen
Der Umgang mit solchen Vorurteilen war und ist eine Herausforderung. Ich habe gelernt, dass Aufklärung und offene Gespräche wichtig sind, um Verständnis zu schaffen. Es gibt viele Christen, die die Botschaft der Liebe und Akzeptanz betonen und sich für die Rechte von Transmenschen einsetzen. Es hilft, diese Verbündeten zu finden und sich gegenseitig zu unterstützen.
Fazit
Meine Reise als Transmann war und ist eine Herausforderung, aber auch eine unglaublich lohnende Erfahrung. Es geht darum, zu sich selbst zu stehen und die Freiheit zu haben, seine Identität authentisch zu leben. Vorurteile, ob gesellschaftlicher oder religiöser Natur, werden immer eine Herausforderung sein, aber durch Aufklärung und Dialog können wir viel erreichen.
Am Ende des Tages wünsche ich mir, dass alle Menschen – unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität – in einer Welt leben können, die sie akzeptiert und respektiert. Jeder Mensch verdient es, glücklich und frei zu sein, und ich hoffe, dass meine Geschichte dazu beiträgt, ein kleines Stück dieser Welt zu schaffen.

2 comments

  1. Hallo Steffen, ja, das ist ein wichtiger Schritt so zu denken, ich selbst spreche mich auch nicht von Vorurteilen frei, ich versuche aber, allem neuen offen gegenüber zu stehen, ich kann immer noch Panik oder Ablehnung empfinden, wenn es wirklich Gründe dafür gibt.
    Ich tue keinem was, letztendlich passe ich ja nur meinen Körper an, damit beleidige ich Niemandem oder will ihm ein Leid zu fügen.
    Was diese christliche Geschichte angeht, kommt heute Abend noch ein Artikel online, der sich genau mit dieser Thematik befasst.

  2. Viel Erfolg auf deiner Reise zum Ich, wenn man das so nennen kann. 🙂 Ich finde es etwas bemerkenswert und auch traurig, dass sich manche Menschen regelrecht persönlich angegriffen fühlen, wenn sie mit anderen sexuellen Orientierungen und Identitäten als denen angeblich von der Natur oder einem irgendwie gearteten Gott vorgegebenen konfrontiert werden. Ein bisschen so, als würden sie befürchten, ab morgen selbst so "umgepolt" zu werden. Dabei sind es ja eher die Kirchen und Religionen, die sich mit ihrer Doktrin noch immer in viel zu viele Dinge des Lebens einmischen, was mich mitunter ziemlich wütend macht. Ich selbst bin in einer Zeit aufgewachsen, in der die meisten gerade mal wussten, dass es Homosexualität gibt, und vielleicht noch die Klischee-Transen im Kopf hatten. Natürlich hat man sowas eher belächelt oder ist solchen Menschen aus dem Weg gegangen, davon kann ich selbst mich ebenfalls nicht freisprechen. Auch heute kann ich mich mit manchen Dingen einer offenen Gesellschaft nicht identifizieren, die von anderen erbittert verteidigt werden. Gendergerechte Sprache sei da mal genannt, die ja leider inzwischen auch zum Politikum geworden ist und man schnell mal in die "rechte Ecke" geschoben wird, wenn man sie als sprachliche Verunstaltung ablehnt. Trotzdem möchte ich über mich behaupten, über die Jahrzehnte hinweg auch durch den Kontakt mit Menschen wie dir ein Stück weit toleranter geworden zu sein. Vor allem aber habe ich gelernt, dass es nicht weh tut, und darauf bin ich durchaus ein bisschen stolz.

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