Gender und gendern.

Es gibt Momente, die sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Momente, die mit einem simplen „Frau“ oder „sie“ beginnen und in mir eine Flut von Gefühlen auslösen, die schwer in Worte zu fassen sind. Als jemand, der biologisch weiblich ist, sich aber als Mann identifiziert, fühle ich jedes Mal einen Stich im Herzen, wenn ich falsch gegendert werde. Es ist eine Erinnerung daran, dass meine Identität nicht wahrgenommen wird, dass ich für andere unsichtbar bin. Doch gleichzeitig stehe ich auch für Barrierefreiheit und einfache Sprache ein, was mich oft in einen inneren Konflikt bringt.
Eine besonders einschneidende Erinnerung habe ich an eine Situation am Bahnhof. Ich hatte eine lange Reise hinter mir und wollte mir ein Taxi bestellen. Ein Mitarbeiter am Infoschalter sagte zu einem Kollegen: „Können Sie ein Taxi für die Dame bestellen?“ In diesem Moment fühlte ich mich wie gelähmt. Der Raum, in dem wir standen, fühlte sich plötzlich kälter an. Mein Magen zog sich zusammen, und für einen Moment konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Es war, als ob ein unsichtbarer Vorhang zwischen mir und der Welt fiel. Ich wollte keine Szene machen, wollte nicht auffallen. Gleichzeitig wusste ich, dass jeder dieser Momente ein kleiner Tod für meine Seele war.
Ich verstehe die Notwendigkeit der Barrierefreiheit. Ich habe viele Diskussionen über Gendersternchen, Binnen-I und ähnliche Schreibweisen geführt. Diese Formen des Genderns sind wichtig, um Sichtbarkeit zu schaffen und alle Geschlechter zu inkludieren. Doch ich sehe auch die Hürden, die sie für Menschen mit Leseschwierigkeiten oder Sehbehinderungen darstellen können. Barrierefreie Kommunikation muss für alle zugänglich sein, und manchmal bedeuten diese zusätzlichen Zeichen eine zusätzliche Barriere.
Trotzdem ist es für mich nicht einfach, diese Perspektive zu vertreten, wenn ich selbst oft falsch gegendert werde. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen meinem persönlichen Schmerz und dem größeren Ziel der Inklusion und Zugänglichkeit. Es gibt Tage, an denen ich mich frage, ob ich zu sehr nachgiebig bin, ob ich meine eigene Identität zugunsten der Barrierefreiheit opfere. Aber dann erinnere ich mich daran, dass Kommunikation Brücken bauen sollte und keine Mauern.
Ich habe gelernt, mit dieser Dualität zu leben. Ich korrigiere Menschen, wenn es notwendig ist, aber ich tue es mit Empathie und Verständnis. Wenn mich jemand als Frau anspricht, erkläre ich ruhig, dass ich mich als Mann identifiziere und mir die männliche Anrede wichtig ist. Ich sehe es als meine Aufgabe, nicht nur meine eigene Identität zu verteidigen, sondern auch das Bewusstsein für Barrierefreiheit und inklusive Sprache zu fördern.
Es ist ein ständiger Balanceakt, und ja, es tut weh. Aber dieser Schmerz erinnert mich auch daran, warum es so wichtig ist, weiterzukämpfen – für mich selbst und für eine Welt, in der niemand sich unsichtbar fühlen muss. Mein Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle respektiert und anerkannt werden, unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen oder Identitäten. Dabei ist es entscheidend, dass wir Wege finden, die sowohl Inklusion als auch Barrierefreiheit berücksichtigen, ohne dass eine Gruppe übersehen wird.

2 comments

  1. naja, für mich wärs auch nichts, ich definiere mich als männlich.
    Ich kenne aber durchaus personen, bei denen das zutrifft, die spreche ich entsprechend an, auch wenn ich es selbst nicht nachfühlen kann.
    Aber du hast recht, den >lesefluss, gerade mit screenreader störts erheblich.
    Optisch stört michd as sternchen nicht weiter, aber trotzdem find ich es ungewohnt.

  2. Meh, ich finde man sollte keine Person absichtlich misgendern, wenn man das weiß, aber dieser ganze Sternchen scheiß hilft wirklich keinem. Wer freut sich denn bitte, jetzt als *in angesprochen worden zu sein. Du hast doch ein eindeutiges Geschlächt, sei es jetzt wegen mir männlich, da macht der * jetzt keinen unterschied, und geht sowohl mit nutzung von vo/irgend einem Screenreader, als auch beim Lesen als sehender doch einfach nur auf den Keks!

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