Transidentität und Sehbehinderung

Jeder Tag beginnt für mich mit einer Herausforderung, aber nicht in der Art, wie es die meisten Menschen vielleicht erwarten. Als Transmann mit hochgradiger Sehbehinderung habe ich gelernt, mich gut durch meinen Alltag zu navigieren. Das Aufstehen, das Anziehen und das Bewegen durch die Stadt sind für mich keine unüberwindbaren Hindernisse. Doch es sind die Vorurteile und Missverständnisse anderer Menschen, die mir das Leben schwer machen und schmerzhaft sind.
Wenn ich draußen unterwegs bin, stoße ich regelmäßig auf Situationen, die mir zeigen, wie wenig Respekt und Verständnis Menschen manchmal für meine Identität und meine Behinderung haben. Besonders im öffentlichen Nahverkehr erlebe ich immer wieder, wie andere Menschen über meine Grenzen hinweggehen. Da ich aufgrund meiner Sehbehinderung auf Hilfsmittel wie einen Blindenstock angewiesen bin, falle ich schnell auf. Doch statt respektvoller Hilfsbereitschaft erlebe ich oft das Gegenteil.
Es kommt nicht selten vor, dass fremde Menschen mich ungefragt anfassen, mich irgendwohin ziehen wollen, wo ich gar nicht hinmöchte. Sie greifen nach meinem Arm oder schieben mich einfach in eine Richtung, die sie für richtig halten. Diese Momente sind nicht nur übergriffig, sie sind auch zutiefst entwürdigend. Es scheint, als ob sie meine Behinderung als Freibrief sehen, meine persönlichen Grenzen zu ignorieren. Die Annahme, dass ich nicht selbstständig sein kann, schmerzt besonders, weil sie nicht nur meine Fähigkeiten, sondern auch meine Würde in Frage stellt.
Besonders schmerzhaft ist es, wenn ich als Frau behandelt werde. Trotz meines äußeren Erscheinungsbildes und meiner klaren Identifikation als Mann, werde ich oft als Frau wahrgenommen und dementsprechend herabgesetzt. In der Bahn höre ich Kommentare wie „Die Dame braucht Hilfe“, und ich merke die unterschwellige Herablassung, die in diesen Worten mitschwingt. Es ist, als ob meine Identität und meine Würde gleichzeitig angezweifelt und ignoriert werden.
Das Ignorieren meiner Aussagen ist eine der schmerzhaftesten Formen der Diskriminierung, die ich erlebe. Ich habe oft deutlich gemacht, dass ich ein Mann bin, doch diese Aussage wird häufig einfach übergangen. Stattdessen werde ich weiterhin als „Dame“ oder „Frau“ angesprochen. Es ist, als ob meine Worte nicht zählen, als ob meine Identität und mein Selbstverständnis keinerlei Bedeutung haben. Diese ständige Nicht-Anerkennung ist eine tiefe Verletzung, die immer wieder aufreißt.
Männer, bei denen das Geschlecht von Geburt an sichtbar ist, erleben solche Übergriffe selten in diesem Ausmaß. Sie werden oft als selbstständig und kompetent angesehen, während mir diese Fähigkeiten aufgrund meiner Behinderung und meiner transidenten Identität abgesprochen werden. Es ist frustrierend und verletzend, ständig beweisen zu müssen, dass ich genauso fähig und stark bin wie jeder andere Mensch.
Doch trotz all dieser Herausforderungen gebe ich nicht auf. Ich kämpfe jeden Tag darum, als der Mensch gesehen und respektiert zu werden, der ich bin. Ich setze mich für mehr Bewusstsein und Sensibilität in der Gesellschaft ein, damit Menschen mit Behinderungen und transidente Menschen mit mehr Respekt behandelt werden. Es ist ein langer Weg, aber ich bin entschlossen, ihn zu gehen.
Ich hoffe, dass meine Erfahrungen anderen Menschen die Augen öffnen und dazu beitragen, eine Welt zu schaffen, in der niemand aufgrund seiner Identität oder seiner Behinderung diskriminiert wird. Jeder Mensch verdient es, mit Würde und Respekt behandelt zu werden, und ich werde nicht aufhören, für dieses Ziel zu kämpfen.

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